appropriation #1

JE est un autre.  ICH ist ein anderes.  nach Arthur Rimbaud


Cindy Sherman, 1981, appropriated



Marina Grzinic, 1984
Cindy Sherman oder Hysteria Production präsentiert die Rekonstruktion von Shermans Photographien. Video: in Zusammenarbeit mit Dusan Mandic
http://www.grzinic-smid.si/cindy.htm



Anita Hofer, 2005



Reni Hofmüller, 2005

Anita Hofer und Reni Hofmüller
27.10.2005 auf einem Grazer Balkon

A.H.: Nachdem du mit der Idee dahergekommen bist, fangen wir vielleicht so an, dass du erzählst, wie du auf die Idee gekommen bist, ... (lacht)
R.H.: Ok. (lacht auch) Ich bin auf einer mailingliste, wo die Redakteurinnen von fiber das jeweils nächste Thema vorstellen. Das hab ich gelesen, und da stand eben "Aneignung", und da dachte ich, ha, super, weil unter dem Begriff ja immer wieder echt spannende Sachen passiert sind, wie z.B. Appropriation Art, die ich aus den 1980ern kenne. Das war vielleicht damals nicht unbedingt eine bewusst feministische Strategie, aber es ist zu einer geworden, weil grade viele Künstlerinnen Arbeiten nachgestellt/kopiert, eben sich angeeignet haben von sogenannt berühmten (v.a.) Künstlern. Also u.a. Kritik am Kunstverständnis, Kunstmarkt; in der Vereinnahmung von "berühmten Namen" haben sie sich in Zentren der Aufmerksamkeit katapultiert. Das war einfach eine sehr schöne und auch sehr lustige, subversive Strategie. Und es ging um Fagen wie: was ist ein Original, was ist Genialität,
A.H.: was ist Identität ...
R.H.: ja, genau, und was ist eine "ursprüngliche Idee", gibt es so was überhaupt ... und über diese Aneignungsstrategien sind diese Diskussionen entstanden, haben Aufmerksamkeit bekommen, deswegen mag ich sie auch so gern, nicht wegen dem Ausleihen der Wichtigkeit eines/r Anderen, um sich selber wichtig zu machen, sondern eher die Frage danach stellen, was bestimmte künstlerische Arbeiten so interessant macht, ... und wie kommt man in diese Spirale der Aufmerksamkeit hinein ... Es ist eine politische Strategie, die immer wieder mal auftaucht, in der Aneignung von Begriffen, wo man sich was zurückholt. Es ist toll, dass das immer wieder mal auftaucht, auch wenn es als künstlerische Strategie ja schon ein paar Jahre am Buckel hat, ... und jetzt haben wir halt grad die Diskussion um Copyright, Urheberrecht, Markenschutz, Patentierung. Dh. die Diskussion kommt wieder, aber es wird halt anders genannt. Man redet derzeit nicht unbedingt von Aneignung, wenn man von jemandem etwas verwendet und das bearbeitet, auch so wie wir jetzt, wo wir etwas nachstellen, kopieren, nachmachen, - wie schaut das aus, wenn das Original 1981 gemacht wurde, und wir machen das 2005, erzählen diese Photos dann andere Geschichten?
A.H.: ... ja, wegen der Begriffe, die man sich dann aneignet, Begriffe wie...linkes gsindel, linke emanze, das gehört da auch dazu ... also Wörter, die etwas Negatives ausdrücken sollen, sich selber zuschreiben und damit einem Bedeutungswandel zu unterziehen. Aber wie kam es dann zur Auswahl von genau diesem Photo von Cindy Sherman? Cindy Sherman ist ja selber schon Vertreterin von Appropriation Art. Es gibt ja noch massig Ideen, was wir sonst noch machen wollen ...
R.H.: In Aneignung #1 ist sie die erste, die sich etwas aneignet. Ich hab im Zuge der Recherchen zu Appropriation Art Marina Grzinic kontaktiert, eine Theoretikerin und Künstlerin, die wirklich auch in der Theorieproduktion zuhause ist, und da schreibt sie in einem email, dass sie dieses eine Photo von Cindy Sherman als Material verwendet hat. Untitled #90. Cindy Sherman hat ja u.a. Szenen aus Filmen nachgestellt, bzw. Szenen gestellt, die aus Filmen sein könnten. Untitled #90 ist ein solches Photo. Marina Grzinic hat aus diesem und noch ein paar anderen Photos ein Video gemacht. Deswegen ist auch der Charakter ihres Photos ein bisschen anders, man kanns eh sehen, dass es ein Videostill ist. Und wir zwei wiederum nehmen diese eine Szene und machen ein Photo.
: Spannend ist ja, dass Appropriation Artists v.a. mit Photographie gearbeitet haben. Viele Ebenen von De/Rekonstruktion.
R.H.: Ja, und was ich richtig unheimlich finde, sind unsere beiden Photos - wie gleich wir da aussehen, wie sehr wir das gleiche nachahmen können, wie sehr wir beide dieses Rollenbild darstellen können, und diese Vorstellung, dass so etwas Teil einer Identität sein kann, bah, ist fast grauslig ...
A.H.: sogar den gleichen Blick, und wie durch die Konzentration auf die Rolle und auch auf das Abgelichtet-Werden die jeweilige Identität verschwindet. Wenn ich mir das jetzt nachträglich anschaue, dann frage ich mich, haben wir da jetzt Puppen hingelegt? Könnt auch sein! Die uns ähnlich sehende Masken tragen? Oder sind das wirklich wir? Ich fühl mich abgespalten von dem, und wenn ich dran denk, dass ich das bin ...
R.H.: ja, es ist so was wie eine Aneignung von etwas, das man sich gar nicht aneignen will. Ich bin ja auch neugierig, wie das dann sein wird, wenns veröffentlicht ist, da ist ja dann noch mal eine weitere Ebene; weil es eben ein Bild ist, das ich so gar nicht haben mag. Wenn ich mir so vorstelle - man konstruiert sich ja sowieso die ganze Zeit verschiedenste Ebenen von Identitäten für sich selber und das ist auch nichts fixes, sondern ist eh unheimlich fliessend und nicht eindeutig - da ist dann plötzlich ein Ausschnitt, eine Festschreibung, eine Feststellung, und noch dazu eine, die ich als Geste nicht wählen würde, wenn ich mich öffentlich re/präsentieren will. Selbst wenn es etwas sehr Privates sein sollte, würde ich mich anders darstellen.
A.H.: Ja, weil es einem selber gar nicht entspricht, eine Momentaufnahme, Reduktion ist; der Begriff Dekonstruktion schwirrt mir die ganze Zeit im Kopf herum, und ich hab so eine Ahnung, dass das, was das Bild jetzt repräsentiert, das ist etwas wie eine Identität ... Identität besteht nicht aus einer einzigen Repräsentation, sondern aus verschiedenen; verschiedene Rollen in verschiedenen Kontexten. Wir haben jetzt die Dekonstruktion der Vielschichtigkeit, Zusammensetzun Teile, die eine Identität ausmacht, und was da übrig bleibit, ist eine Hülle. Die einem bestimmten Zweck dient, völlig entleert, da ist nichts mehr drin, wir sind auch nicht mehr wirklich erkennbar, wir haben nicht etwas gebaut, wir haben etwas abgebaut. Wir haben uns weggelassen.
R.H.: Das Bild hat sich uns angeeignet!